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  • AutorenbildAngelo Gisler

Sorgenkind Deutsche Bank – oder: Wenn die Reputation auch mal wieder für UBS und CS spricht

Eine Fusion der Deutschen Bank mit der Commerzbank scheint sich zunehmend zu konkretisieren. Auch die beiden Schweizer Grossbanken waren und sind seit der Finanzkrise wiederholt Gegenstand von Fusions- bzw. Ãœbernahmespekulationen. Anders als die Deutsche Bank sind die beiden Schweizer Institute in zentralen Reputationsparametern aktuell aber deutlich besser aufgestellt.

 

Die Deutsche Bank hat die Finanz- und Wirtschaftskrise bis heute nicht verdaut – sowohl die ökonomische wie die öffentliche Glaubwürdigkeit des Instituts sind nach wie vor zerrüttet. Erstens bewegt sich der Aktienkurs der Deutschen Bank aktuell auf einem Niveau, das tiefer liegt als in der Hochphase der Krise Anfang 2009; zweitens hat sich die Bank nie wirklich von der tiefgreifenden Reputationskrise erholt, die das Institut in der Folge der Finanzkrise erfasst hatte (siehe Abbildung 1).


Der Sedimented Reputation Index® (SRI®) ermöglicht eine einzigartige Verbindung der Auswirkungen von Resonanz und Reputation in einem langfristigen Kontext. Der SRI® ist eingepasst in eine Skala von +100 (ausschliesslich positive Resonanz) bis -100 (ausschliesslich negative Resonanz). Das Verfahren dient der Modellierung der historisch gewachsenen, im öffentlichen Gedächtnis verankerten Reputation und erlaubt deren Darstellung bis auf Tagesbasis, analog zu einem Aktienkurs. Basis für die Berechnung des SRI® in obiger Darstellung bildete die Analyse von je zwei wirtschaftspolitischen Leitmedien aus den Arenen Deutschland, Grossbritannien, Schweiz, Singapur und USA.

Angesichts dieser ausweglos scheinenden Lage der Dinge ist es nur logisch, dass sich die Bank strategisch und organisatorisch neu zu positionieren sucht, bzw. interventionistische Akteure den Drang verspüren, einen neuen «nationalen Champion» zu schaffen und den Konzern mit einer Fusion zur alten Grösse zurückzuführen (vgl. dazu NZZ, 19.3.2019: «Wie Deutschland seinen Grossbanken die Luft abschnürt»).


Spekulationen auch um Schweizer Banken


Die Verdichtung der – seit längerem schwelenden – Fusions-Gerüchte um die Deutsche Bank lenkt den Blick fast zwangsläufig auch auf die beiden grossen Schweizer Institute UBS und Credit Suisse. Beide Schweizer Grossbanken kämpfen nämlich mit ähnlichen Problemen wie die Deutsche Bank: Auch ihre Aktienkurse dümpeln seit der Finanzkrise vor sich hin; und auch ihre Reputation darbt seit längerem (wie im Falle der Credit Suisse) bzw. erfährt immer wieder neue Rückschläge (wie jüngst bei UBS aufgrund des Prozesses in Frankreich).


Kein Wunder also ranken sich auch um UBS und Credit Suisse seit der Finanzkrise hartnäckig – mal mehr mal weniger glaubwürdige – Fusions- bzw. Übernahmespekulationen:

  • Die Basler Zeitung fragte vor rund drei Jahren (11.2.2016): «Ist die Credit Suisse jetzt Ãœbernahmekandidatin»?

  • Dieselbe Frage stellte das Finanzportal finews (23.7.2018) im letzten Sommer aufgrund der tiefen Aktienbewertung auch mit Bezug zu UBS: «Wird die UBS zum Ãœbernahmeziel?»

  • Und im letzten Herbst wurde die Angelegenheit noch einmal etwas greifbarer, als bekannt wurde, dass die Deutsche Bank Fusionspläne mit der UBS geprüft hätte: «Deutsche Bank prüfte Fusionspläne mit der UBS» (Handelszeitung, 26.9.2018).

Deutsche Bank: Doppeltes Sorgenkind


Eine differenzierte Analyse der Reputation von fünf internationalen Grossbanken in zehn internationalen Leitmedien (aus Deutschland, Grossbritannien, Schweiz, Singapur, USA) zeigt nun, dass sich die Situation bei der Deutschen Bank – trotz aller Parallelen – noch einmal deutlich von den Vergleichsinstituten unterscheidet, weil sie aktuell als einzige der untersuchten Grossbanken sowohl in funktionalen wie sozialen Kontexten einen negativen Beitrag zur Sektor-Reputation leistet (siehe. Abbildung 2). Die Deutsche Bank hat also ein doppeltes Reputationsproblem.


Die Abbildung zeigt den Impact bzw. Einfluss der einzelnen Banken auf die Sektor-Reputation (=alle fünf Peers zusammengenommen) unterteilt nach Funktionalreputation (z.B. Performance, Strategie, Produkte) und Sozialreputation (z.B. Regulation, Rechtsfälle, CSR). Lesebeispiel: Die Thematisierung der Deutschen Bank in funktionalen Kontexten belastet die Sektor-Reputation mit -1.35 Reputationspunkten (linke Grafik). Noch stärker belastend für die Sektor-Reputation (-4.37 Reputationspunkte) wirkt die Thematisierung der Deutschen Bank in sozialen Kontexten (rechte Grafik).

In sozialen Berichterstattungskontexten sind neben der Deutschen Bank (u.a. Panama Papers – Problematisierung Offshore-Geschäft) auch Goldman Sachs (u.a. Involvierung in den Korruptionsskandal um den malaysischen Staatsfond 1MDB) sowie UBS (u.a. Prozess in Frankreich) stark negativ exponiert. Ein anderes Bild zeigt sich dagegen in der Berichterstattung zu funktionalen Themen (wie beispielsweise Performance, Strategiefragen oder Produktethemen). Hier hat einzig die Deutsche Bank einen negativen Einfluss auf die Sektor-Reputation.


Ein funktionales Reputationsdefizit – wie aktuell bei der Deutschen Bank – stellt sich ein, wenn es dem Unternehmen nicht mehr gelingt das Vertrauen darin aufrechtzuerhalten, wonach die eigene strategische Positionierung langfristig von Erfolg gekrönt sein wird. Hält dieser Zustand über längere Zeit an, wird damit zwangsläufig die Existenzberechtigung einer Organisation als Ganzes zur Disposition gestellt. Schlägt die alte Positionierung substanziell fehl, steigt konsequenterweise der Druck auf eine strategische Neupositionierung stark an. Der Fall der Deutschen Bank, die aktuell von der deutschen Regierung praktisch in eine Fusion mit der Commerzbank getrieben wird («Der staatliche ‘Heiratsvermittler’ lässt nicht locker»; NZZ, 18.3.2019), ist hierfür exemplarisch.


Was lässt sich daraus für die Situation der beiden Schweizer Grossbanken ableiten?


Zwar ist ein ähnliches Schicksal wie das der Deutschen Bank nicht gänzlich auszuschliessen (nur schon aufgrund der tiefen Aktienkurse). Die Ausgangslage ist gleichwohl eine deutlich andere: Im Vergleich zur Deutschen Bank verfügen die beiden Schweizer Grossbanken – nach den strategischen Remeduren der letzten Jahre – über eine wieder einigermassen intakte Funktionalreputation. Das Vertrauen scheint somit vorhanden zu sein, dass die beiden Schweizer Institute mit ihrer strategischen Positionierung im internationalen Bankenmarkt auch künftig eine (eigenständige) Existenzberechtigung sicherstellen können.


Problematisch bleibt aber auch für die Schweizer Grossbanken, insbesondere für die UBS, das negative Exposure in sozialen Kontexten. Sollte es den Banken nicht in absehbarer Zeit gelingen, ihre Handlungsfähigkeit auch in rechtlichen und regulatorischen Fragestellungen wieder zurück zu erlangen, sind gröbere Restrukturierungen in struktureller und geostrategischer Hinsicht wohl nicht auszuschliessen. Letztlich geht es damit sowohl für Unternehmen wie staatliche Behörden um die Beantwortung der Frage, ob der volkswirtschaftliche Nutzen der beiden Grossbanken an ihren jeweiligen Standorten den damit verbundenen Aufwand langfristig rechtfertigt oder nicht.

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